Eine Information des
rolf tiemann Finanz- und Versicherungs MaklerservicesWas sind eigentlich Rating-Agenturen ?
Im Dschungel der Tarife
Die deutschen Lebensversicherer dürfte die Studie der Kölner Rating-Agentur Assekurata wenig erfreuen: Etwa ein Viertel der Gesellschaften werde seine Leistungsversprechen wegen des niedrigen Kapitalmarktzinses voraussichtlich nicht erfüllen können, so das Ergebnis der Kölner Untersuchung. Die Experten hatten die Bilanzen der Versicherer geprüft und sie mit den Beispielrechnungen abgeglichen, die den Verbraucher über die voraussichtlichen Leistungen aus seinem Versicherungsvertrag informieren. Das Fazit der Prüfer: Viele Lebensversicherer rechnen möglicherweise zu optimistisch und werden deshalb ihren Kunden später deutlich weniger auszahlen können, als sie ihnen in ihrer Werbung versprechen.
Seit Jahren sorgen Versicherungsvergleiche, die dem Verbraucher zu mehr Durchblick im Tarifdschungel der Angebote verhelfen wollen, für erbittertes Pro und Contra. So sind heftige Auseinandersetzungen schon programmiert, wenn die Stiftung Warentest einen neuen Versicherungsvergleich veröffentlicht. Regelmäßig beziehen die Warentester Prügel von den Anbietern, die auf den hinteren Rängen gelandet sind und womöglich mit einem "mangelhaft" beurteilt wurden.
Doch auch beim Verbraucher sorgen die Vergleiche zuweilen für Irritation. Je nach Bewertungskriterien können die Schlusslichter der einen Liste schon im nächsten Test mit einem "sehr gut" beurteilt werden. Nicht dass die eine oder andere Analyse etwa schlampig angelegt wäre. Der Streit um die Kennzahlen und ihre Gewichtung zeugt von einer grundsätzlichen Problematik.
Noch vor einigen Jahren beschränkten sich die Veröffentlichungen der Wirtschaftspresse auf reine Produktvergleiche, in der Fachsprache Rankings. Welche Leistung zu welchem Preis?, lautete die Frage. Ranking-Spezialisten waren und sind beispielsweise die Softwarehäuser Aspect-Online, Morgen & Morgen, Rendite 2000 und die Unternehmensberatung Financial Software Systems. Dann begannen die Test-Teams zusätzlich zu untersuchen, wie viele Versicherungsverträge jeweils wieder storniert werden und wie kostenbewusst der Versicherer wirtschaftet. Die ersten umfassenden Bilanzanalysen, also Ratings, die unter anderem Rückschlüsse auf die Beitragsstabilität und die langfristige Sicherheit der Unternehmen zulassen, konzentrierten sich zunächst auf zwölfjährige Zeiträume. Inzwischen liegen auch Langzeitanalysen vor.
Vorreiter dieser Ratings ist der Versicherungsspezialist Manfred Poweleit. Einen anderen Ansatz verfolgt Professor Jörg Finsinger von der Universität Wien. Er untersucht die Glaubwürdigkeit der zu Vertragsbeginn vom Versicherer versprochenen Ablaufleistung in ferner Zukunft. Darüber, ob der Anbieter jeweils glaubwürdig ist, soll eine Gegenüberstellung von Zukunftsversprechen und in der Vergangenheit tatsächlich erbrachter Leistung Aufschluss geben.
Wiederum andere Wege gehen die britische Rating-Agentur
Standard & Poors sowie Assekurata. Beide erstellen in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Unternehmen Qualitätsurteile vor allem über die Finanzkraft der Versicherer. Wesentliche Grundlage dieser Ratings ist ebenfalls die Analyse von Bilanzkennzahlen. Es fließen aber auch vertrauliche Unternehmensinformationen ein.Bei der Beurteilung eines privaten Krankenversicherers beispielsweise untersucht Assekurata die Beitragsstabilität, Kundenorientierung, den Erfolg, das Wachstum und die Unternehmenssicherheit. So konnte etwa die UKV Union Krankenversicherung aus Saarbrücken unter anderem wegen ihres guten Service ein "sehr gut" einheimsen. Die Bearbeitungsdauer sei deutlich kürzer als im Wettbewerb, eingehende Beschwerden hätten allerhöchste Priorität, und die Kommunikation des Versicherers mit seinen Kunden sei vorbildlich, so Assekurata. Der Nachteil dieser Ratings: Sie werden jeweils für ein Unternehmen erstellt und nur dann veröffentlicht, wenn die Versicherer zustimmen. Dafür sind die veröffentlichten Untersuchungen kostenfrei im Internet erhältlich.
Anders geht die Stiftung Warentest bei ihren vergleichenden Analysen vor. Sie unternimmt den komplizierten Versuch, Produktvergleich und Bilanzcheck miteinander zu verknüpfen und so zu einem ganzheitlichen Gesamturteil über die Versicherer und ihre Angebote zu kommen. Die vergleichenden Analysen geben dem Verbraucher einen Branchenüberblick. Allerdings fließen die Serviceleistungen der Versicherer, also die so genannten weichen Kriterien, in die Bewertung nicht ein. Auch ist bislang keinem Prüfer-Team gelungen, etwa die Kulanz im Leistungsfall oder die Qualität der Schadenregulierung professionell zu bewerten.
Dennoch sind die Rater auf dem richtigen Weg. Ohne Rankings und Ratings hätten Verbraucher beim Kauf von Versicherungsprodukten keinerlei Anhaltspunkte. Dass die Versicherungswirtschaft viel daransetzt, ihre Produkte möglichst intransparent zu gestalten, ist kein Geheimnis.
Auf die Frage "Welche Versicherung ist die beste?" gab es im regulierten Versicherungsmarkt der Vergangenheit dennoch vergleichsweise einfache Antworten. So unkompliziert ist der Policen-Check in Zeiten rauen und zunehmend internationaleren Wettbewerbs nicht mehr. Die Tariflandschaft bei Lebens-, Kranken-, Unfall- und Schadenversicherern war noch nie so vielfältig wie heute. Schon die Auswahl der günstigsten Autohaftpflichtversicherung lässt mittlerweile selbst Experten verzweifeln. "Professionelle Tests werden daher immer unentbehrlicher", betont Dieter Farny, Professor an der Universität zu Köln.
Blindes Vertrauen in Prüfer und Testergebnisse ist aber fehl am Platz. Der Kunde muss beispielsweise selbst entscheiden, ob er dem preiswertesten Produkt oder der solidesten Bilanz den Vorzug gibt. Beides gleichzeitig ist nur selten zu haben. Der Anbieter mit einer vorbildlichen Bilanz kann doppelt so teuer sein wie ein anderer, dessen Zahlenwerk auch nicht schlecht ist. Wer wiederum Wert auf maßgeschneiderte Versicherungsangebote legt, darf sich keinen billigen Standardversicherer aussuchen. Schließlich: Selbst die preiswerteste Police bei der solidesten Gesellschaft ist überflüssig, wenn der Kunde gar keine Versicherung braucht.
Versicherungskenner Farny rät, den Aussagewert eines Vergleichs nicht zu überschätzen. So sei zu berücksichtigen, dass Ratings immer nur Anhaltspunkte bieten, aber den verständlichen Wunsch des Versicherungskunden nach absoluten und präzisen Urteilen über ein Unternehmen nicht erfüllen können. Rater Manfred Poweleit gibt ihm Recht: "Die Forderung nach objektiven Ratings ist so unsinnig wie die Forderung nach objektiven Kommentaren in der Tageszeitung."
(c) DIE ZEIT 13/2001
rolf
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